Reichsbürger und die BRD-Finanzagentur GmbH

Immer öfter wird man im Internet, z.B. bei google+ mit der Behauptung überfallen, Deutschland ist eine GmbH. Als Beleg dafür wird dann die Bundesrepublik – Finanzagentur GmbH genannt, die es wirklich gibt.


Genauso kommen die Fragen auf, ob Deutschland souverän ist oder überhaupt eine Verfassung hat. Die Behauptungen und Verschwörungstheorien werden dabei immer esoterischer, sodass man sich fragen muss, ob viele nur noch nach Gefühl entscheiden, ohne sich einmal die Mühe geben zu wollen, wirklich den Verstand zu benutzen.


Kommen wir erst einmal zu der ominösen Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH.


Wenn Lieschen Müller seine private Schuldenverwaltung, die Kredite, die sie für ihre Haushaltskasse benötigt, übersichtlich über eine eigene GmbH verwalten möchte, und sie gründet deshalb eine GmbH, die sie dann Lieschen Müller Finanzagentur GmbH nennt, dann wird Lieschen Müller nicht zu einer GmbH, sondern sie ist nur Gesellschafterin einer GmbH.


Dass immer wieder, wegen dieser Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH, die wirklich ernst gemeinte Verschwörungstheorie im Internet auftaucht, Deutschland wäre eine GmbH ist einfach nur nervig und lässt an den Verstand weiter Teile der Bevölkerung zweifeln.



Oft wird angezweifelt, dass Deutschland ein gültiges Grundgesetz hat. Es wird sich darauf auf den Artikel 146 des Grundgesetzes berufen, und behauptet, es hätte nach der Wiedervereinigung eine neue Verfassung beschlossen werden müssen.


Aber das sagt der Artikel 146 nicht aus:


Der Text des Artikels lautet, gültig seit 1992:

 

Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.


Von 1949 – 1992 lautete der Text:

 

 

Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.


Solange keine Verfassung in Kraft tritt, gilt das Grundgesetz. Auch durch die Wiedervereinigung ist das Grundgesetz nicht ungültig geworden.


Einige behaupten sogar, das Grundgesetz hatte nie Gültigkeit, da das Deutsche Reich politisch nie aufgelöst wurde und somit noch die Verfassung von 1919 Gültigkeit hat. Einige behaupten sogar, die Verfassung von 1871 hätte noch Gültigkeit. Die militärische Kapitulation von 1945 hat, nach Meinung einiger, nicht das Deutsche Reich beendet.


Eine Begründung für diese These ist ein BVerfGE-Urteil aus dem Jahr 1973 (BVerfG 36.1 ff.)


Das Grundgesetz - nicht nur eine These der Völkerrechtslehre und der Staatsrechtslehre! – geht davon aus, dass das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist; das ergibt sich aus der Präambel, aus Art. 16, Art. 23, Art. 116 und Art. 146 GG. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, an der der Senat festhält. Das Deutsche Reich existiert fort (BVerfGE 2, 266 [277]; 3, 288 [319 f.]; 5, 85 [126]; 6, 309 [336, 363]), besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation, insbesondere mangels institutionalisierter Organe selbst nicht handlungsfähig. […] Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert (vgl. Carlo Schmid in der 6. Sitzung des Parlamentarischen Rates – StenBer. S. 70). Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht ‚Rechtsnachfolger‘ des Deutschen Reiches […].“


Nun, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches ist, heißt noch lange nicht, dass sie nicht existent ist. Es ändert nichts daran, dass sie 1948 gegründet wurde. Und selbst wenn das Deutsche Reich rein rechtlich weiter existiert, ändert es nichts daran, dass es keine Regierung gibt, keine Währung und auch kein Land hat. Nicht alles, was nicht offiziell aufgelöst wurde, existiert noch.


Die Regierung des Deutschen Reiches hat sich selbst im Jahr 1945 verabschiedet. Der Reichspräsident und Reichskanzler hat sich das Leben genommen. Sein politisches Testament, das Karl Dönitz zum Reichspräsidenten erklärte, hatte schon damals keine Rechtsgrundlage, da ein Reichspräsident vom Volk zu wählen war. Somit gab es auch keine Rechtsgrundlage für den leitenden Reichsminister Johann Ludwig (Lutz) Graf Schwerin von Krosigk, den Dönitz, ein Tag nach seiner eigenen Ernennung zum Reichspräsidenten, ernannte. Das Gleiche gilt für sich dann bildende Regierung.


Das Deutsche Reich hat sich im Grunde selbst verabschiedet. Sie hat sich nicht durch Proklamation von der politischen Bühne verabschiedet, sondern, in dem die Verantwortlichen einfach, in verschiedenen Formen, gegangen sind, und versucht haben, die Verantwortungen rechtswidrig (Hitlers politisches Testament) weiter zu geben, das Deutsche Reich beendet.


Die Bundesrepublik mag nicht der Rechtsnachfolger sein, aber es hat sich, laut BVerfGE, als ein Teilnachfolgestaat neu organisiert. Letztendlich also nicht der Rechtsnachfolger, aber, zumindest für den westlichen Teil, organisatorisch der Nachfolger.


Selbst wenn also das Deutsche Reich weiter rechtlich existieren sollte, existiert es nicht organisatorisch, und seinen geografischen Platz hat 1948, zumindest teilweise, ein anderes Land eingenommen. Und alle, die sich heutzutage als Repräsentant eines angeblichen Deutschen Reiches bezeichnen, haben mit Sicherheit keinen rechtlichen Anspruch auf diese Position.


Die Auffassung, dass die Bundesrepublik Deutschland identisch mit dem Staat Deutsches Reich ist, in der räumlichen Ausdehnung allerdings nur eingeschränkt, wie die Reichsbewegung behauptet, ist aus dem BVerfGE Urteil nicht zu erkennen.


Viele sind auch der Meinung, dass das GG, dadurch, dass mit der Wirksamkeit des Beitritts der der DDR zum 03. Oktober 1990, der Artikel 23, des GG´s, in seiner alten Fassung, aufgelöst wurde, das ganze GG erloschen ist.


Die alte Fassung des Artikels 23 lautete:


Dieses Grundgesetz gilt zunächst im Gebiete der Länder Baden, Bayern, Bremen, Groß-Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern. In anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen.


Nur weil man den Artikel für obsolet erklärt hat, da nach der Wiedervereinigung die neuen Bundesländer dazugekommen sind, und das GG dort in Kraft gesetzt wurde, ist nicht das ganze GG aufgelöst.


Im Übrigen übersehen die Verschwörungstheoretiker, dass im Einigungsvertrag (Artikel 3) der Geltungsbereich klar definiert wurde. Außerdem wurde im Artikel 4 des Einigungsvertrages die neue Präambel, und insbesondere der Geltungsbereich des Grundgesetzes, klar definiert.


Es mag ja nicht unbedingt jeder mit der Politik, die in diesem Lande ausgeführt wird, zufrieden sein. Aber das ändert trotzdem nichts daran, dass die Bundesrepublik Deutschland, gegründet 1949, mit der Verkündigung des GG am 23. Mai 1949, in Kraft tretend um 0 Uhr, am 24. Mai 1949, der Staat ist, in dem wir leben. Und Fakt ist genauso, dass das Grundgesetz, verkündet am 23. Mai 1949, in Kraft tretend um 0 Uhr, am 24. Mai 1949, unser gültiges Grundgesetz ist.

 


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