Kindesmissbrauch ist das ganz normale Leben.

Wenn ich ehrlich bin, war ich so erschüttert, als ich diesen Satz sinngemäß gelesen habe, dass ich erst einmal eine Nacht darüber schlafen musste, um ihn zu verarbeiten. 

 

Exakt lautete er, ich zitiere:

 

"Das ist das ganz normale Leben, in dem es Verwerfungen aller Art gibt. Damit musste die Menschheit bisher und muss die Menschheit in Zukunft fertig werden. Und das bedeutet auch, dass man als Individuum damit fertig werden muss."

 

 

Aber erst einmal zur Vorgeschichte.

 

Bei Google+ brachte ein dortiges Mitglied, mit dem ich mich bei Google+ des Öfteren unterhalte, folgenden Link hinein:

 

http://www.focus.de/digital/internet/tid-30270/sexuelle-uebergriffe-an-der-tagesordnung-paedophile-machen-in-chatforen-jagd-auf-maedchen_aid_947169.html

 

Worauf ein kaltschnäuziger User, nennen wir ihn einfach mal gant neutral Tom, bemerkte, dass wohl der größte Teil dieser Täter nur von pubertierenden Jungs stammen würde, und anscheinend somit harmlos.

Die Threaderöffnerin, nennen wir sie einfach mal Susanne, antwortete daraufhin, dass er, also Tom, sich da wohl irre, und es wohl viele Erwachsene gibt, die auf diese Weise bewusst Kinder suchen.

 

Tom bügelte das ab. Auf den Hinweis über die Erwachsenen ging er gar nicht ein, sondern erwiderte nur, dass die Jungs die er kennt, alle Mädchen fragen, ob sie Sex haben wollen. Das sei doch heutzutage normal.

 

Susannes weiterer Versuch Tom davon zu überzeugen, dass es sich hier nicht um Jugendliche untereinander dreht, sondern um Erwachsene, die in Chats Kinder bewusst suchen, um ihren pädophilen Neigungen nachzugehen, wurde von Tom wieder lapidar mit dem Hinweis, dass so etwas auf Schulhöfen heutzutage täglich passiert und völlig normal ist. Außerdem kam von Tom noch, ich zitiere:

 

"Ich fände es wichtiger, wenn der Staat besser dafür sorgen würde, dass ein Elternteil zu Hause die Kinder betreut anstatt Vollzeit arbeiten gehen zu müssen. Problem sind nur die allein gelassenen Kinder."


Man merkte langsam, dass Susanne Schwierigkeiten bekam, dieses Abbügeln ruhig hinzunehmen. Deutlich wies sie darauf hin, dass es nicht das Problem von allein gelassenen Kindern ist, sondern ein ganz allgemeines Internetproblem, von dem jedes Kind betroffen sein kann. 

 

Zu diesem Zeitpunkt mischte ich mich in die Diskussion ein und wies auch noch einmal deutlich darauf hin, dass es inzwischen allgemein bekannt ist, dass viele Erwachsene, hauptsächlich wohl Männer, versuchen über das Internet junge Kinder, hauptsächlich kleine Mädchen, zu finden, um mit ihnen per Chat Sexspiele aus der Entfernung zu machen und wenn möglich sogar sich mit den Kindern treffen wollen. Als Beleg setzte ich noch einen Artikel hinein, den ich kurz vorher zufällig im Internet gefunden hatte.

 

Entsprechender Link:

 

http://m.faz.net/aktuell/politik/inland/paedokriminelle-im-internet-magst-du-sex-haben-12126066.html

 

Mit dem Link wies ich gleichzeitig daraufhin, dass Organisationen, die sich mit Kindesmissbrauch beschäftigen schätzen, dass jedes Jahr alleine in Deutschland ca. 300.000 Kindesmissbräuche geschehen, was ungefähr die gesamte Einwohnerzahl von Bielefeld entsprechen würde, oder alle 10 Jahre jeder einzelne Einwohner von Berlin.

 

Eigentlich hatte ich gedacht, dass Tom jetzt aufschrecken würde und etwas Entsetzen über diese geschätzte Zahl zeigen würde. Aber weit gefehlt, sein Kommentar war kurz. Zitat:

 

"Es kann keine verlässlichen Zahlen darüber geben."

 

Das war´s. Was mich wohl beruhigen sollte, brachte mich eigentlich eher noch mehr auf die Palme:

 

"Nein - aber Schätzungen. Und es gibt keinen Grund diese anzuzweifeln. Und selbst wenn es nur die Hälfte der geschätzten Zahl in Deutschland wäre, wären es immer noch 150.000 Kindesmissbräuche pro Jahr.Das wären dann so viel pro Jahr, wie Potsdam oder Leverkusen Einwohner hätten."

 

Aber auch das konnte Tom nicht erschüttern. Auf meinen Kommentar kam dann der am Anfang zitierte Ausspruch: 

 

"Das ist das ganz normale Leben............................"

 

Zu diesem Zeitpunkt meldete sich Susanne wieder zu Wort und versuchte Tom noch einmal eindringlich die Problematik klar zu machen, und auch der Staat gefordert ist, da mehr Sicherheiten zu bieten. 

 

Dies war sofort ein gefundenes Fressen für Tom, der sofort dort einhakte und dieses ganze Gequatsche über Kindesmissbrauch doch nur wieder hervorgeholt werde, um neue, verschärfte Überwachungsgesetze zu kreieren.  Außerdem kann dann in seinem nächsten Kommentar, dass die Medien sich gerne auf das Thema stürzen, weil ja damit so viel Geld verdient werden kann.

 

Gedanklich schüttelte ich nur mit dem Kopf. Tom war nicht bereit das Problem Pädophilie, irgendeine ernsthafte Bedeutung zuzumessen. Zitat:

 

"Es hat etwas mit Schicksal zu tun, was einem Menschen passiert. Es gibt Menschen, denen passiert alles Mögliche, und es gibt Menschen, denen passiert nie etwas."

 

Dann brachte Susanne einen wichtigen Satz:

 

"Das schlimmste Merkmal der heutigen Gesellschaft ist Ignoranz in jeglicher Hinsicht. Man ist so lange ignorant, bis es einen selbst trifft und dann ist Holland in Not."

 

Den Satz kann ich nur bestätigen. Ich war schon oft erschüttert, wie viel Gleichgültigkeit, bzw. sogar wie viel Feindseligkeit mir immer entgegen schlägt, wenn ich das Thema, z. B. bei Google+ aufs Tablett bringe.

 

Dann kam Tom aber erst so richtig in Fahrt und wies auf ca. 3.500 Todesfälle im Straßenverkehr hin, die dort bei Unfällen starben, und fragte nach, ob wir deshalb die totale Überwachung im Straßenverkehr wollen.

 

Als ich das las, war ich wirklich erst einmal baff. Aber Tom machte noch weiter:

 

"Nein, niemand will das, nicht einmal unsere Regierung will das. Wir alle nehmen täglich Risiken in Kauf, große Risiken, und das Leben ist nicht so gestrickt, dass jemand einem die Lebensrisiken abnehmen kann. Wer das nicht begreift, tut mir leid. ---"

 

Sicher ist jedes Todesopfer oder jeder, der der durch einen Verkehrsunfall  für sein Leben gezeichnet wird zu bedauern, mit der Begründung, dass es im Leben auch Unfälle gibt, deren Risiko wir tragen müssen, und dieses selbstverständlich auch für Gewaltverbrechen gilt, bei denen immerhin Vorsatz des Täters dahinter steckt, und nicht einfach nur Pech für das Opfer (oder ist es eben doch halt nur Pech?), haute mich schon um.

 

Und in Sachen Sicherheit im Straßenverkehr tut der Staat eine ganze Menge. Die StVO ist nur dafür da, so wie jedes Verkehrsschild auf unseren Straßen.

 

Um es klar zu machen, Tom wies durchaus darauf hin, dass er Kindesmissbrauch nicht gut findet, hält es aber eben, wie einen Unfall im Straßenverkehr als ein Lebensschicksal, mit dem man sich abfinden muss - und das Risiko missbraucht zu werden schlichtweg zum Leben dazugehört. 

 

Man sollte daher nicht einen zu großen Aufriss machen. Es ist halt so. 

 

Unfälle, Kindesmissbrauch, ich vermute auch Vergewaltigung und Gewalt gehören nun einmal zum Leben. Nicht schön, aber eigentlich völlig normal.

 

Wenn ich solche empathielose Kälte erlebe, fällt mir immer Max Liebermann ein:

"Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte."

 

Was ist das bloß für eine Gesellschaft, in der wir leben.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0