Es ist schon erstaunlich, nachdem schon in Brüssel die Devise herausgebracht wurde, „wenn die Bevölkerung kritisch zu dem TTIP - Freihandelsabkommen - steht, dann müssen wir eben so lange dafür Werbung machen, bis die Bevölkerung ihre kritische Meinung ändert“, stößt jetzt auch Sigmar Gabriel, SPD Vorsitzender, deutscher Wirtschaftsminister und Vizekanzler in das gleiche Horn.
Aber wie ein unseriöser Gebrauchtwarenhändler erzählt er, was angeblich so toll an dem Abkommen sein wird, aber er verschweigt, was wirklich verhandelt wird – oder wie der Stand der Verhandlungen ist.
Sigmar Gabriel erzählt, dass das Abkommen nicht nur Vorteile bringt, weil es Zölle abbaut und technischer Normen vereinheitlicht würden, sondern es würde noch weitere Vorteile geben. Es führe auch zu weltweiten Fortschritten bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten, Verbraucherschutz und Arbeitnehmerrechten.
Was für hohle Phrasen, die unser Wirtschaftsminister da von sich gibt.
Eingeladen, um die Verhandlungspartner zu beraten, werden nur Konzerne mit knallharten wirtschaftlichen Interessen. Organisationen, die Verbraucherschutz und Arbeitnehmerrechte vertreten, sind dagegen bewusst nicht eingeladen worden. Und dann will Gabriel uns wirklich erzählen, dass gerade diese Werte, der Fortschritt dieser Werte berücksichtigt werden.
Wenn es in dem Bereich Arbeitnehmerrechte zu einer Angleichung kommt, kann es nur zum Schaden der europäischen Arbeitnehmer sein.
Die gleichen Zweifel kann man mit dem Verbraucherschutz haben.
Ein großer Schweinemastbetrieb in den USA hat schon laut und deutlich gesagt, er akzeptiere kein TTIP, in dem nicht gesichert ist, dass sein Fleisch von Schweinen, die mit Hormonen gespritzt wurden, die in der EU verboten sind, in die EU importiert werden darf.
In den USA gilt die Regel, dass alles erlaubt ist, wo nicht nachgewiesen ist, dass es schädlich ist. In Europa ist es genau umgedreht. Das, was nicht nachweislich unschädlich ist, wird nicht für den Markt freigegeben. Ein Verhandlungsführer der USA hat selbst deutlich in einem Interview gesagt, dass Europa einen zu hohen Verbraucherschutz hat.
Und Sigmar Gabriel will uns erzählen, dass die EU sich da, gegenüber den USA durchsetzt, wo doch aber nur Vertreter von Wirtschaftsinteressen zu den Verhandlungen eingeladen sind?
Und Zölle gibt es zwischen Europa und den USA schon heute kaum. Dafür brauchen wir kein TTIP.
Und schon heute ist es klar, dass z.B. Afrika durch das Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa benachteiligt wird. Denn das Abkommen wird auch afrikanische Ware ausgrenzen. Da von weltweiten Vorteilen zu sprechen, ist blanker Hohn.
Wenn wir aber nicht helfen, Afrika wirtschaftlich nach vorne zu bringen, sondern sogar noch seinen Weg dahin erschweren, wird Afrika, in vielen kleinen Booten, über das Mittelmeer, uns kommen. Wollen wir das?
Das alles klingt wirklich wie ein Gebrauchtwarenhändler, der Schrott teuer einem Kunden andrehen will, und ganz bewusst die Schwächen des Autos verschweigt.
Wieso wird dann aber schon heute Druck auf das EU-Parlament ausgeübt, wenn das Parlament Gesetze, die den Verbraucherschutz betreffen, beraten. Wenn es heißt, da doch bitte eine wirtschaftsfreundlichere Formulierung zu wählen, ansonsten würden sich die Verhandlungspartner beim TTIP brüskiert fühlen.
Wieso wird die Verhandlung über das Investitionsschutzabkommen, bis hinter die EU-Parlamentswahl vertagt? Da das Parlament bei den Verhandlungen gar nicht mitspielt, kann doch nur der einzige Grund dafür sein, man wolle, bis nach Wahl, die Wogen glätten, aus Angst, dass die EU-Kritiker ansonsten für das Parlament stärkeren Zulauf bekommen. Ist die EU-Parlamentswahl erst einmal gelaufen, kann das Thema Investitionsschutzabkommen wieder auf die Bühne und in den Medien erscheinen, da die Wahl dann vorbei ist und man den Wähler nicht mehr zu fürchten braucht.
Einerseits stellt man die Verhandlungen über das Investitionsschutzabkommen zurück, will angeblich eine öffentliche Diskussion darüber, anderseits stellt man aber klar, dass man grundsätzlich an einem Investitionsschutzabkommen abkommen festhalten will. Die erste öffentliche Podiumsrunde war auch eher eine Werbekampagne für das Investitionsschutzabkommen, als eine kritische Auseinandersetzung.
Dabei sollte man sich überhaupt einmal darüber Gedanken machen, warum solche Investitionsschutzabkommen überhaupt mit Ländern geschlossen wurden, warum man dieses Konstrukt überhaupt erfunden hat.
Der Grund waren Verträge mit Staaten, die nach unserem Maßstab keine Rechtsstaaten sind und Investoren keine Rechtssicherheit hatten. Um da den zu investierenden Unternehmen einen Investitionsschutz zu gewährleisten, wurden mit diesen Staaten bilaterale Verträge geschlossen. Aber in der EU gibt es eine Rechtssicherheit. Wir sind Rechtsstaaten.
Eine Rechtssicherheit, bei dem jeder Investor weiß, was er darf und was er nicht darf, und eine Rechtssicherheit, dass man einmal geschlossene Verträge nicht einfach für null und nichtig erklärt.
Und nun will man Investitionsschutzabkommen, die etwas ganz anderes wollen. Rechte, die ein Unternehmen in seinem Heimatland hat, darf er auch in jedem anderen Vertragsland haben. Wird ihm das verweigert, kann er seinen entgangenen Gewinn einklagen. Das ist etwas ganz anderes, als das, wozu solche Investitionsschutzabkommen einmal entstanden sind.
Auch der schon genannte Schweinemastbetrieb weiß, dass sein Hormon in der EU verboten ist. Das ist eine Rechtssicherheit. Er braucht also gar nicht erst investieren, um Schweine für den EU-Markt zu züchten. Auch zu wissen, dass man etwas nicht darf, ist eine angemessene Rechtssicherheit. Außerdem kann er ja, wenn er Schweinefleisch in die EU liefern will, dafür Schweine nehmen, die ohne das Hormonpräparat aufgewachsen sind. Da das alle so machen müssen, hat er keinen Wettbewerbsnachteil
Nun will man aber, sollte man ihm den Export, für sein hormonverseuchtes Fleisch in die EU verbieten, dass ein unabhängiges Schiedsgericht entscheidet, ob die Verbraucherschutzinteressen wirklich wichtiger sind, als die Gewinninteressen des Unternehmens.
Die Rechtssicherheit für die Bürger, deren Interessenvertreter die Politiker und Beamte sind, wird dadurch aufgehoben. Es ist keine Rechtssicherheit mehr, wenn ein Schiedsgericht bestimmt, die Gesetze der EU gleichen einer Enteignung der Unternehmensinteressen und die Bürger der EU müssen das hinnehmen.
Auf Grundlager solcher Investitionsschutzabkommen musste Kanada ein Benzin eines US-Konzerns in Kanada zulassen, obwohl es eine giftige Substanz beinhaltet, die zwar in den USA erlaubt war, aber in Kanada verboten. Das Schiedsgericht erklärte, ein Einfuhrverbot nach Kanada gleiche einer Enteignung. Kanada musste Schadensersatz zahlen und die Einfuhr des Benzins zulassen.
Philipp Morris verklagt zurzeit den Staat Uruguay auf Schadensersatz wegen einer staatlichen Kritik gegen Tabak. Philipp Morris sieht durch diese Antitabakkampagne seinen Gewinn geschmälert.
Ein anderer amerikanischer Tabakkonzern verklagt gerade, auf gleicher Grundlage, Australien.
Investitionsschutzabkommen mögen bei Verträgen mit Staaten, die keine oder kaum eine Rechtsstaatskultur haben sinnvoll sein. Sie aber bei Verträgen zwischen gut funktionierenden Rechtsstaaten zu fordern und dabei unabhängige Schiedsgerichte einsetzt, deren Richter Wirtschaftsrechtsanwälte sind, würde heißen, gerade das Rechtsstaatssystem auszuhebeln Das lässt den Rechtsstaat geradezu kollabieren.
Wenn es also heißt, die Kommission hält grundsätzlich an dem System des Investitionsschutzabkommens, mit einem neutralen Schiedsgericht, fest, versucht Sigmar Gabriel hier eindeutig der deutschen Bevölkerung nur Sand in die Augen zu streuen.
Als Gebrauchtwagenverkäufer würde er weniger Schaden anrichten.
Aber Sigmar Gabriel ist ein Gebrauchtwagenhändler, er ist unser Vertreter. Er hat sich für unser Wohl, für unseren Verbraucherschutz und für unsere Arbeitnehmerrechte stark zu machen.
Wir brauchen kein TTIP. Wir sind auch ohne TTIP wirtschaftlich eng miteinander verbunden. Und wenn die Konzerne das TTIP benötigen, um Ihre Gewinne zu steigern, sollte auch ein Sigmar Gabriel sich daran erinnern, wer ihn gewählt hat, welche Interessen er zu vertreten hat.
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