Es ist völlig egal, mit welchen rhetorischen Winkelzügen sich der Bundes-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt am Montag herausgeredet hat, er hat absichtlich und vorsätzlich gehandelt, und das mit dem Wissen, dass er damit gegen die Geschäftsordnung der Bundesregierung verstoßen hat.
Und die Geschäftsordnung der Bundesregierung hat so lange Gültigkeit, solange die jetzige Regierung im Amt ist, egal ob völlig normal gewählt oder geschäftsführend. Ansonsten wäre auch Schmidt gar nicht im Amt und hätte nicht abstimmen können.
Man wird sicher nie erfahren, ob die Kanzlerin wirklich nichts davon wusste, wie Schmidt gedachte abzustimmen, aber zumindest der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer wusste es (Schmidt hatte es ihm kurz vor der Abstimmung mitgeteilt), und hat, zumindest in dem er sich dem nicht widersetzt hat, der Verlängerung der Zulassung zugestimmt, obwohl auch er die Geschäftsordnung der Bundesregierung kennt, in dem eindeutig steht, wenn zwei verschiedene Ministerien von einer Entscheidung betroffen sind, und eine ist für etwas, die andere dagegen, enthält man sich auf EU-Ebene bei einer Entscheidung.
Bereits am 17. November hat Christian Schmidt, in einer Runde mit Journalisten kundgetan, dass er für eine Verlängerung von Glyphosat stimmen wird, nach dem Motto, das sei Ministersache (was so eben nicht stimmt), und man befände sich angeblich in den Jamaikagesprächen auf dem Wege einer Einigung.
Selbst wenn das wirklich so gewesen wäre, gab es zu dem Zeitpunkt keine Jamaikakoalition, und irgendwie ist es auch nicht glaubwürdig, dass es gerade mit den Grünen bei den Sondierungsgesprächen eine Einigung in Sachen Verlängerung der Glyphosatgenehmigung gegeben hätte.
Aber egal, als die Abstimmung in Brüssel lief, gab es sowieso keine Jamaikagespräche mehr, die alte Regierung, mit einer Umweltministerin, die klar und deutlich – auch dem Minister Schmidt gegenüber – mitgeteilt hat, sie sei gegen die Verlängerung der Zulassung, war noch, wie auch Schmidt selbst, als Vertreter der „alten Regierung“ im Amt, und es galt die Geschäftsordnung dieser Regierung.
Und man außerdem gerade in einem Zeitpunkt, als man sich Gedanken machte, um eine Bundestagsneuwahl zu vermeiden, mit der SPD Sondierungsgespräche aufzunehmen. Dann so einen Vertrauensbruch hinzulegen, ist einfach nur verwerflich.
Und, um noch einmal auf die Kanzlerin zurückzukommen. Hat sie wirklich nichts gewusst, zeigt es, dass sie ihr Haus nicht mehr im Griff hat, hat sie es gewusst, und, wie Seehofer, es, und wenn nur durch Schweigen, abgenickt hat, zeigt sie, dass ihr alle recht ist, um das durchzusetzen, was ihr wichtig ist. Dafür lässt man auch die Geschäftsordnung sausen und verunsichert die Partei, die einen für die nächsten vier Jahre eventuell an der Regierung halten soll.
Eigentlich müssten die Parteien CDU, CSU und SPD alle einen personellen Neuanfang starten, denn der ist schon lange überfällig. Aber es bleibt die Frage, wer soll kommen?
Wen hat die CDU als Nachfolgerin für Frau Merkel? Zum Glück wohl nicht Ursula von der Leyen. Die hat ja als Verteidigungsministerin zu deutlich gezeigt, dass sie mehr ambitioniert ist, sich selbst dazustellen, als ein Ministerium wirklich zu leiten, geschweige dann eine ganze Regierung. Aber wer soll das Zepter übernehmen?
Wie sieht es bei der CSU aus? Seehofer ist sowieso früher oder später, dabei aber eher früher, auf der Abschussliste. Und dann? Söder? Oder etwa Dobrindt?
Und was ist mit der SPD? Die hat nicht, wie sie oft herausposaunt, so eine riesige Wahlschlappe bei der Bundestagswahl eingefahren, weil sie in einer großen Koalition war, sondern sie hat so eine Wahlschlappe eingefahren, weil, nachdem schon Gabriel nicht das gelbe vom Ei war, Schulz völlig daneben agiert hat.
Schulz hat, während des Wahlkampfes, mehrmals das Wahlkampfthema gewechselt, weil er immer wieder feststellen musste, dass er mit den Slogans nicht punkten konnte.
Aber wer Programme wechselt, um Wähler zu bekommen, steht nicht für ein Programm, nicht für eine Agenda, wie er das Land in den nächsten (mindestens) vier Jahren vorwärts bringen will, sondern er steht nur dafür, dass er Kanzler werden will, Kanzler sein will.
Dieses Land ist aber nicht dazu da, damit ein Martin Schulz sich einen Kindheitstraum erfüllen kann.
Wir benötigen wirklich einen personellen Neuanfang in den Parteien, aber wie soll der bloß aussehen.
Ich will keine Neuwahlen, und ich sehe zurzeit nur die Möglichkeit, eine große Koalition oder eine Minderheitsregierung zu starten. Aber die Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl sollte genutzt werden, zumindest bei der CDU und der SPD, eine neue Generation aufzubauen.
Und zwar eine Generation, die mehr als nur „Kanzler sein“ will.
Gibt es da nichts, darf man sich nicht wundern, wenn populistische Parteien, die keinen Deut besser sind, immer stärker werden, wenn sie auf die sogenannten Eliten schimpfen.
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