Der Ukrainekonflikt, Russland und die Nato

 

Wie glaubwürdig ist Russland?

 

Russland hat im eigenen Land, in der Nähe der ukrainischen Grenze mehr als 100.000 Soldaten, mit entsprechender Ausrüstung, auch an schweren Waffen, wie Panzer und Geschütze, herangezogen. Auch die Luftwaffe ist entsprechend vertreten. An medizinischer Versorgung, inklusive Blutkonserven, wurde eine Größenordnung herangezogen, die für ein eventuelles Manöver (noch findet ja nicht einmal eines statt) viel zu umfangreich ist. Aufgefahren hat man eine medizinische Versorgung, die für einen Kriegsfall ausreicht.

 

Weitere 30.000 russische Soldaten führen in Belarus Manöver durch.

 

Selbst aus der Ostsee ist eine Flottille von Landungsbooten ins Schwarze Meer entsandt worden.

 

Als Reaktion von dieser militärischen Präsenz droht die Nato, mit harten Sanktionen gegen Russland. Russland sieht diese Drohung als ein unangemessenes, aggressives Verhalten.

 

Aber ist eine Drohung, mit Sanktionen zu reagieren, sollte Russland wirklich in die Ukraine einmarschieren, wirklich ein unangemessen aggressives Verhalten? Immerhin droht die NATO nur zu reagieren, sollte Russland vorher – viel aggressiver – agiert haben.

 

Russland beteuert immer, sie wolle nicht in die Ukraine einmarschieren, und man sollte das doch gefälligst Russland glauben.

 

Nur, warum sollte man es Russland glauben? Die militärische Masse Russlands in der Nähe der ukrainischen Grenze spricht zumindest eine andere Sprache. Zumindest will man drohen, in dem man aufzeigt, dass man einmarschieren könnte, wenn man denn will.

 

Wie so etwas aussieht, sollte gerade Russland wissen.

 

Der Aufmarsch des 3. Reiches an der Ostgrenze ihres Reiches im Spätfrühling 1941 war, wenn man im Vergleich sieht, was die Sowjetunion damals zur Verfügung hatte, längst nicht so dominant, wie Russland heutzutage gegen die Ukraine aufmarschieren lässt.

 

Das dritte Reich war nur in der Masse der Soldaten der Roten Armee überlegen (3.767.000 zu 2.780.000)

 

An schweren Waffen, wie Panzer (3.612 zu 11.000), Geschützen (12.686 zu 42.872), und Flugzeugen (2.937 zu 9.917) war das 3. Reich der Sowjetunion weit unterlegen.

 

Und die Sowjetunion wusste, dass das 3. Reich an seiner Ostseite aufmarschierte. Die russischen Militärs warnten Stalin, doch der verlachte die Bedrohung.

 

Russland weiß also, wie es ist, wenn man so einen militärischen Aufmarsch ignoriert. Und heutzutage nennen sie es ein aggressives Verhalten von der NATO, wenn diese so etwas nicht ignoriert? Auch wenn kein NATO-Mitgliedsland bedroht wird, bedroht hier jemand militärisch Grenzen in Europa. Das kann die NATO nicht kaltlassen.

 

Und zu den Beteuerungen Russlands, sie würden nicht in die Ukraine einmarschieren, und es wäre doch wohl eine Frechheit, ihnen nicht zu glauben.

 

2014 waren es (Originalton von Putin vor laufender Kamera) kleine grüne Männchen, die sich an strategisch wichtigen Punkten der Krim in Stellung gebracht haben. Mit Uniformen (Originalton von Putin), die man sich auf der ganzen Welt im Internet kaufen kann.

 

In der Ostukraine waren es nicht offizielle russische Truppen, die dort an der Seite der Separatisten kämpften, sondern Urlauber, die sich aus der russischen Armee verabschiedet hatten, um in ihrer Freizeit, also im Urlaub, in der Ostukraine zu kämpfen. Auch das war der Originalton aus Russland, ob von Putin direkt oder einer seiner Sprecher, wie Lawrow z.B., weiß ich nicht mehr.

 

Und diese Urlauber durften scheinbar, wie es ja durchaus auch im Westen bei Leuten in der Wirtschaft, die im Außendienst tätig sind, üblich ist, ihre Dienstfahrzeuge, wie Panzer und Luftabwehrfahrzeuge mit Raketen, mit in den Urlaub nehmen. Auch bei anderen Arbeitsgeräten, wie Waffen (und selbstverständlich die dazugehörende Munition), scheint es in der russischen Armee dann ja wohl üblich zu sein, dass man diese mit in den Urlaub nehmen darf.

 

Putin, bzw. sein Sprecher, hat also nicht nur den Westen belogen, er hat ihn regelrecht verhöhnt. Denn selbst Putin wusste, dass der Westen wissen würde, dass die kleinen grünen Männchen und die Urlauber offizielle russische Soldaten, mit abgenommenen Hoheitszeichen, waren.

 

Es wurde gelogen, der Westen wusste, dass gelogen wurde, und Putin wusste genau, dass man wusste, dass er lügt. So was nennt man Verhöhnung, nicht anders.

 

Und nun soll man Putin glauben, wenn er sagt, er würde nicht in die Ukraine (in der er ja sogar teilweise schon sitzt) einmarschieren?

 

1994 unterschrieb der russische Außenminister eine Erklärung, in der Russland die Grenzen der Ukraine garantierte. Politischer Differenzen sollten diplomatisch, unter Einbeziehung der USA, geklärt werden.

 

1997 unterschrieb Russland die Nato-Russland Grundakte, in der unter anderem festgelegt wurde, dass jedes Land das Recht hat, selbst zu entscheiden, mit wem es Bündnisse eingehen will.

 

Vielleicht sollte die russische Regierung einfach mal in sich gehen und überlegen, warum so viele in die NATO wollten?

 

Vielleicht liegt es ja auch z.B. an den Versuchen, die Unabhängigkeit der baltischen Staaten rückgängig zu machen. Dabei wurde auch Gewalt angewendet, und es gab Tote.

 

Zum Mythos, die NATO würde keinen Schritt nach Osten gehen.

 

Noch während des Gipfeltreffens der KSZE, 19. - 21. November 1990, gaben NATO und der (noch vorhandene) Warschauer Pakt eine Erklärung ab, in der sie sich nicht mehr als Gegner, sondern als Partner sehen, und sie den gegenseitigen Nichtangriff bekräftigten.

 

Am 31. März 1991 löste sich der Warschauer Pakt zum 1. Juli 1991 auf.

 

Am 11. März 1990 erklärte sich Litauen unabhängig, am 4. Mai 1990 folgte Lettland, am 8. Mai Estland. Bis dahin waren alle drei Länder Teile der Sowjetunion gewesen. In den ersten Monaten versuchten russischer Verbände, die Selbstständigkeit dieser Länder wieder zurückzunehmen. Erst im August 1991 wurde die Unabhängigkeit der baltischen Staaten vom Westen anerkannt.

 

Bereits im März 1990 begannen die 2 + 4 Vertragsverhandlungen, in dem es sich um die Wiedervereinigung von Deutschland drehte. Ein Streitpunkt war dabei, der für die damalige Sowjetunion wichtig war, der militärische Status des Gebietes der DDR. Da schnell klar wurde, dass eine Gesamtneutralität von Deutschland nicht durchzusetzen war, einigte man sich darauf, dass auf dem Gebiet der (bald) ehemaligen DDR, außer Verbänden der Bundeswehr, keine NATO-Truppen stationiert werden sollten.

 

In diesem Zusammenhang sagte man: „Keinen Schritt mach Osten, wir haben nicht die Absicht … ….“

 

Man darf einen Satz nicht aus dem Kontext reißen und dann als Dogma an die Wand nageln. Man muss den Zusammenhang sehen, in dem der Satz gesprochen wurde. Der Zusammenhang war die Verhandlung über die Wiedervereinigung von Deutschland, der militärische Status der neuen Bundesländer und die dortige Präsenz bzw. eben Nichtpräsenz von NATO-Truppen.

 

Über mehr wurde damals nicht verhandeln und konnte auch gar nicht verhandelt werden. Denn die Sowjetunion und der Warschauer Pakt waren zu dem Zeitpunkt noch intakt. Zu dem Zeitpunkt konnte sich niemand vorstellen, dass das nur noch eine kurze Zeit so sein würde. Die baltischen Staaten, Polen, Ungarn und so weiter, standen gar nicht zur Diskussion, da die Vorstellung einer Auflösung des Warschauer Paktes damals nicht vorhanden war – und zwar für beide Seiten.

 

Das Thema war die deutsche Wiedervereinigung und wie der militärische Status von Deutschland, und leicht abgesondert, der Status der neuen Bundesländer, sein sollte.

 

Was danach alles geschah, konnte noch niemand ahnen, auch nicht, dass die Sowjetunion teilweise versuchte, die später erfolgte Erklärung der Selbstständigkeit einzelner Teile de Sowjetunion (Baltische Staaten), auch durch Gewalt, zurückzuschrauben.

 

Und wer so was tut, darf sich nicht wundern, wenn diese Staaten dann, aus durchaus berechtigter Sorge, sich einen starken Partner suchen, der einen weiteren Versuch, diese Länder wieder einzugliedern, mit hilft zu verhindern.

 

Auch dazu darf man Folgendes nicht vergessen.

 

Es heißt immer, die Sowjetunion trat zwangsweise in den 2. Weltkrieg, durch den Überfall des 3. Reiches auf die Sowjetunion, ein.

 

Aber das stimmt so nicht. Der Eintritt der Sowjetunion in den 2. Weltkrieg begann, auf eigenen Wunsch, am 17. September 1939 mit der Eroberung von Ostpolen und ging in den folgenden Monaten weiter, mit der Eroberung der souveränen baltischen Staaten und dem Versuch, Finnland zu erobern.

 

Dass sein alter Kumpane Hitler, mit dem er sich noch 1939 die Beute, die zwischen ihren Ländern lag, friedlich geteilt hatte, sich dann 1941 gegen die Sowjetunion wandte, konnte Stalin sich einfach nicht vorstellen. Nur deshalb, und weil er ein paar Jahre vorher seine Armee in weiten Teilen (teilweise im wahrsten Sinne des Wortes) kopflos gemacht hatte, schaffte es das 3. Reich, bis nach Moskau und Stalingrad vorzurücken. Die eigentlichen Kräfteverhältnisse sprachen eigentlich gegen das Deutsche Reich.

 

Und wer jetzt ganz pauschal den USA ein ständiges imperiales Gehabe vorwirft, da sie ja durchaus auch nicht immer sauber agieren, sollte das nicht so einseitig sehen. In diesem Fall trifft das nun mal nicht zu, und was die Vergangenheit angeht: Bis 1989 haben beide Seiten, die USA und die Sowjetunion, in dem Bestreben, ihre Einflussgebiete zu sichern, gleichwertig gehandelt. Die Stellvertreterkriege, sei es in Süd- und Mittelamerika, in Afrika und Asien, wurden von beiden Seiten durchgeführt, wobei die Sowjetunion in Afrika oft nicht direkt auftrat, sondern ihren Paladin Kuba die Drecksarbeit machen ließ.

 

Dass die Sowjetunion damit 1989 aufhörte, hatte keine humanen Gründe gehabt, sondern ihr war schlichtweg die Luft dafür ausgegangen.

 

Und wer ganz allgemein der Ansicht ist, die USA wäre, seit seiner Gründung, der böse Bube gewesen, der sollte sich mal die russische Geschichte ansehen. Ein kleines Fürstentum wird nicht so groß, wie Russland es wurde, indem man nett zu den Nachbarn ist.

 

Und dass Putin dieser Größe nachtrauert, hat er selbst erwähnt, als er den Zusammenbruch der Sowjetunion als die größte geopoliotische Katastrophe des 20. Jahrhunderts bezeichnete.

 

Dass die NATO versuchen würde, Russland militärisch anzugreifen, ist absurd. Das wäre eine reine Kamikaze-Aktion. Und das weiß auch Russland und ganz speziell Putin. Dass wir uns allerdings bereits in einer neuen Form von Krieg mit Russland befinden, ist nicht abzustreiten.

 

Dass sogenannte Trollfabriken (deren Vorhandensein belegt sind) bereits bei den letzten beiden Präsidentenwahlen in den USA, beim Brexit und auch in den sozialen Medien versucht haben und versuchen, "den liberalen Westen" zu destabilisieren, mag Russland zwar leugnen, aber das wäre das Gleiche, wie das mit den kleinen grünen Männchen und den Urlaubern. Und selbst wenn letztendlich 100 %ig feste, juristische Beweise nicht erbracht werden können, sind die Muster, die eindeutigen Indizien, nicht zu leugnen und Beweis genug. Und gerade, wie oft das mit scheinheiligen Begründungen geleugnet wird, ist ein Beleg. Wie die Verhöhnung eines Straftäters, wenn er grinst und sagt: "Dafür habt ihr keine Beweise, also könnt ihr mir nichts."

 

 

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