Die indirekten Folgen der Invasion in die Ukraine werden viel größer sein als die direkten.
Ich habe in den letzten Jahren die Zukunft der Menschheit sowieso eher pessimistisch eingeschätzt, da sie sich zu zögerlich, halbherzig, ja eher viertel-herzig, bemüht, den Klimawandel aufzuhalten, oder zumindest stark zu verzögern.
Aber selbst mit diesen viel zu geringen Versuchen dürfte es jetzt vorbei sein.
Selbst wenn der Krieg in der Ukraine sich auf die Ukraine beschränkt bleibt, und damit bald beendet ist, dürfte der Klimaschutz kaum noch eine Rolle spielen.
Warum?
1. Wie soll man mit jemandem vertrauensvoll zusammenarbeiten, der zweifelsfrei aufgezeigt hat, dass seinen Worten nicht zu trauen ist, der, das muss man wohl leider sagen, schon seit Jahren auf diesen Punkt, der jetzt passiert, hingearbeitet hat, und eigentlich hätte man irgendetwas davon ahnen können.
Nicht erst in den letzten Wochen hat Putin hochrangige ausländische Politiker in Moskau regelrecht verarscht, was man erst in dieser Woche erkannt hat. Aber auch vorher hat er es schon getan, und da war es sogar offensichtlicher. Aber man hat den Kopf geschüttelt, es als flegelhaft abgetan, und gut war es.
Nehmen wir nur das Beispiel aus dem Jahre 2007, als er in Moskau seinen Hund in den Raum ließ, wo er und Frau Merkel saß. Er wusste, dass Merkel Angst vor Hunden hat, er wollte, dass sie sich dort fürchtet.
Geht man so in der Diplomatie um? - Nein!
Oder Putins Lügen bei der Annektion der Krim im Jahr 2014, dass er angeblich nicht wüsste, wer da in russischen Uniformen (ohne Hoheitszeichen) strategisch wichtige Positionen auf der Insel eingenommen hatte. Wie sagte Putin damals? Die Uniformen könne man ja immerhin im Internet von überall her einkaufen.
Oder Putins Lüge bei der Ostukraine, als man ihm vorwarf, russische Soldaten dort hingeschickt zu haben. Es seien Urlauber, die dort in ihrer Freizeit sind, hieß es damals.
Urlauber, z.B. Panzerbesatzungen, die mit ihren Dienstfahrzeugen und ausreichend Munition, für die Russland die Transportorganisation und -kosten übernahm und auch für Nachschub sorgte. Urlauber, die für diesen Urlaub wohl sogar extra bezahlt wurden, und wie wir wissen, bei erfolgreicher Erholung sogar Orden erhielten.
Die eindeutigen Lügen beim Abschuss des malaysischen Passagierflugzeuges MH17.
Niemand kann doch, sollt der Krieg, der jetzt tobt, durch die totale Eroberung der Ukraine schnell vorbei sein, einfach zur Tagesordnung zurückgehen.
Man weiß, dieser Regierung in Moskau ist nicht zu trauen. Und dieser Regierung dürfte auch nicht zu trauen sein, sollte Putin irgendwann am Kreml begraben sein.
Wie soll man da das globale Problem des Klimawandels angehen?
2. Uns werden die Ressourcen fehlen, um den Klimawandel zu bekämpfen.
Wir werden, statt Gelder für den Klimaschutz auszugeben, den Militärhaushalt erhöhen müssen, uns, mit hohen Kosten, andere Energielieferanten und Energieträger suchen. Vielleicht hilft das sogar auf lange Sicht etwas dem Klima, da wir damit daran arbeiten würden, autarker zu werden. Aber für vieles, was wir ansonsten noch tun werden, werden wir nicht die finanziellen Ressourcen haben, da die Folgen von Putins Krieg uns sehr teuer zu stehen kommen werden. Wir werden einen hohen wirtschaftlichen Einbruch erleben, Verwerfungen in der Gesellschaft, auf die man besonders achten muss, da Putin diese für sich nutzen wird.
Womit wir zu einem weiteren Problem, Punkt 3, kommen.
3. Wir sind bereits direkt in einen Krieg verwickelt, eigentlich wissen wir es schon seit Jahren, haben es aber verdrängt, auch wenn einige immer wieder darauf hingewiesen haben.
Wir wissen seit der US-Präsidentenwahl 2016, dass Russland massiv versucht hat, die Wahl zu manipulieren. Wie weit Russland insoweit Erfolg hatte, dass es die notwendigen Punkte für Trump brachte (immerhin lief es in den entscheidenden Swingstaaten sehr knapp, teilweise nur um wenige Tausend Stimmen), weiß man nicht, aber zumindest waren Russlands Trolle sehr aktiv. Fake-Accounts hatten stellenweise mehrere Zehntausend Follower. Mehrere Tausend Accounts bei Twitter konnte die Verbindung zu "Internet Research Agency" belegt werden, mit knapp 180.000 Tweets und über mehrere Hunderttausend Follower. Das waren nur die, die man entdeckt hat.
Beim Brexit hat auch die russische Trollfabrik mitgespielt. Auch der Ausgang des Brexit-Referendums war knapp. Man kann nur spekulieren, wie es ausgegangen wäre, hätte man die britische Bevölkerung nicht so massiv von außen beeinflusst.
Und man sollte es nicht verharmlosen. Das Problem, dass das Gehirn, sollte es ständig mit Lügen bombardiert werden, anfängt zu zweifeln, ist bekannt. Der Psychologe Gustave Le Bon hat es bereits in seinem Buch „Psychologie der Massen“, aus dem Jahr 1895, beschrieben.
Und seit ein paar Tagen wird das soziale Netzwerk von Putin-Trollen und Bots überschwemmt. Bei Twitter meinte einer, der vom Fach ist, Facebook würde es nur schaffen, täglich 10.000 davon herauszufiltern und zu löschen, und sei seit Tagen überfordert.
Und man liest die Trolle bei Facebook und bei Twitter. Die Kommentare sind so verrückt, dass das nicht einfach eine Meinung sein kann. Die Leute diskutieren auch nicht. Sie beschimpfen einen als ahnungslos, gehen nicht auf neue Argumente ein, sondern bringen neue Behauptungen, beschimpfen und beleidigen wieder, und verhöhnen einen regelrecht. Sie wollen sich gar nicht auf eine Diskussion einlassen, sondern nur spalten, aufwiegeln, Zweifel säen.
Da stellt man sich die Frage, wie viele der sogenannten Querdenker im Netz sind wirklich Querdenker? Denn das Prinzip der Äußerung ist identisch. Teilweise ist die Rhetorik von verschiedenen Kommentatoren so gleichlautend, dass es dieselbe Person zu sein scheint – mit vielen verschiedenen Accounts.
Putin hat schon vor Jahren die Art der Kriegsführung ganz neu erfunden und testet sie schon seit Jahren an der westlichen Welt aus.
Und wir wissen das. Es hat sogar Dokumentationen über die Trollfabrik in St. Petersburg gegeben. Sogar welches Gebäude das war, ist bekannt; und dieses weiß man seit 2016.
Und wenn man darauf hinweist, wird immer gerne, wohl von den Trollen, um abzulenken, auf Merkels Handy hingewiesen, das die Amis doch ausspioniert haben.
Ja, sicher, auch das war falsch. Aber trotzdem ist es doch etwas anderes, ob ich ein oder mehrere Handys ausspioniere, um zu sehen, welche Gespräche dort geführt werden, oder einem ganzen Volk, durch Millionen von Kommentaren, die scheinbar nur besorgte Mütter, Arbeiter, Ärzte oder sonst wer aus der Nachbarschaft sind, ein ganz falsches Bild der Welt darstelle. Und spionieren tut der russische Geheimdienst sicher auch. Vielleicht nur geschickter.
Denn man sollte auch nie vergessen, aus welchem Stall Putin kommt, vom KGB. Und seine Kindheit war geprägt davon, sich durchzusetzen in Hinterhöfen. Und da galt nur der Stärkere oder der, der bereit war, schneller harte Gewalt anzuwenden.
Wir werden nicht nur unseren Militärhaushalt, in Form von Waffen und Soldaten, aufstocken, sondern wir müssen uns auch im Cyberkrieg verteidigen, vielleicht dort sogar angreifen. Und da kommt das nächste Problem auf uns zu. Mitarbeiter, die so etwas können, sind teuer. Die bekommt man nicht mit den üblichen Gehaltsgruppen für Beamte. Solche Leute verdienen in der Wirtschaft viel Geld. Da muss man über den eigenen Schatten springen und finanziell mithalten.
Und wie schon erwähnt, wir werden kaum zur Normalität zurückkommen. Putin hat dieses Szenario lange geplant, und mit „lange“ dürften nicht Monate gemeint sein, sondern Jahre. Und wir haben das, durch den Kauf vom russischem Gas, mitfinanziert.
Ich will nicht leugnen, dass ich mir sicher bin, dass die USA, mit ihrer Warnung, wir würden zu viel Gas aus Russland kaufen, auch eigenen Interessen verfolgten, da sie wollten, dass wir ihr Gas kaufen. Aber das ändert nichts daran, dass sie mit ihrer Einschätzung richtig lagen.
Und noch etwas fällt mir ein.
Während des ganzen Konfliktes in Syrien geisterte in den sozialen Netzwerken die Verschwörungstheorie, dass die USA hinter dem Aufruhr steckte, um zu verhindern, dass eine Erdgasleitung von Katar über Syrien und der Türkei nach Europa gelegt wird. Das Argument, die Amis wollten eben, dass US-Gas verkauft wird.
Das waren nur Verschwörungstheorien, vielleicht sogar von Putins Trollen veröffentlicht. Aber man könnte auch eine andere Theorie aufsetzen.
War, wie es ja aussieht, der Aufruhr wirklich nur ein Teil des arabischen Frühlings, und hat Putin Assad nur unterstützt, an der Macht zu bleiben, weil er sich weiterhin dort am Mittelmeer einen Stützpunkt sichern wollte, oder aber auch, um zu verhindern, dass eine prowestliche Regierung in Syrien so eine Pipeline bauen lässt? Immerhin wäre dadurch die Abhängigkeit von Europa, vom russischem Gas, geschmälert. Und Assad hätte sicher nichts dagegen, so wie Polen und die Ukraine, für den Gasdurchfluss, ordentlich Geld abzukassieren.
Wir gehen harten Zeiten entgegen, und da sind die Folgen des Krieges in der Ukraine nur in ganz kleiner Teil des Problems. Wir rasen, ohne viel tun zu können, in die Falle des Klimawandels.
Und dann wird die Prügelei um Wasser und Lebensmittel, um Land, auf dem man noch was anwachsen kann und man dort leben kann, erst richtig losgehen.
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