Im Grunde ist ja nichts dagegen zu sagen, wenn das Jobcenter Pinneberg den „Kunden“, also den ALG II Empfängern, darauf hinweist, worauf dieser alles achtgeben muss, in seiner Situation als Kunde des Jobcenters. Aber es ist auch die Frage, wie man das macht, in welchem Stil und im welchem Umfang.
So wie die Broschüre aufgebaut ist, kann man nur Folgendes dazu sagen:
Sie ist eine reine Charmeoffensive und soll aufzeigen, wie toll und fürsorglich das Jobcenter ist, und somit eine Werbung für sich, in eigener Sache.
Sind die Hinweise ja durchaus nicht falsch und helfen dem „Kunden“ durchaus, aber es kommt eben auch darauf an, wie man berät und was schon reinge Bevormundung ist.
Eine Broschüre, die in einer Art und Weise berät, so wie man kleinen Kindern den Sinn und Zweck des Zähneputzens erklärt, und wie dieses Zähneputzen vonstattengehen soll, und das doch der Zahnarzt ein ganz lieber Onkel ist, vor dem man nicht Angst haben muss, ist eher eine Herabsetzung des „Kunden“.
Wer der Auffassung ist, so ein Prospekt mit lustigen Bildern, wie in einem Comic, in dem die Jobcentermitarbeiter ständig ganz toll und hilfsbereit sind, und ständig ganz nett grinsen, will sich nur einschmeicheln.
Wo aufgezeigt wird, wie einfach und simpel es doch sei, zur Not auch in eine preiswertere Wohnung umzuziehen - bzw. diese erst einmal zu finden, auch mit supernetten Vermietern oder Wohnungsmaklern, verharmlost, und das kann ja nur mit Absicht sein, die tatsächliche Situation.
Ein Ratgeber, der in lustiger Weise erklärt, man könne ja im eigenen Garten Gemüse ziehen, zeigt eine Verharmlosung auf, die reine Verhöhnung ist und eine Situation aufzeigt, die eine absolute Ausnahmeerscheinung darstellt. Wer hat einen eigenen Garten? Wer darf, wenn er denn einen eigenen Garten hat, diesen behalten, wenn er ALG II benotigt?
Und wie die Familie “Kunde“ beim lustigen Einkaufen gezeichnet ist, oder wie sie in ihrer Wohnung an ihrem Tisch sitzend, über ihr weiteres Dasein, ernst aber voller Hoffnung diskutieren, während die Kinder weiter fröhlich spielen, will weniger beraten, sondern sich selbst ins rechte Licht stellen.
Wer so eine Broschüre, in dem Stil einer billigen Versicherungs- oder Finanzberaterwerbung, herausbringt, degradiert den „Kunden“ zu einem kleinen, etwas geistig beschränkten Kind, dem man eben mit lustigen Zeichnungen aufzeigt, wie man die Zähne zu putzen hat und das doch der Zahnarzt ein ganz netter Onkel ist, den man gerne besucht.
Auch wenn die Ratschläge in vielen Bereichen richtig sind, muss man sich die Frage stellen, wie man denn den Geisteszustand des Kunden einschätzt, wenn man
diese Ratschläge in solcher Form, in so einem Stil, von sich gibt
einige der Ratschläge schon richtig blanker Hohn ist, bzw. schlichtweg Bevormundung
Dass sicher Duschen weniger Wasser verbraucht als ein Vollbad, mag ja richtig sein, aber wohl so allgemein bekannt, dass der Hinweis schon aufzeigt, wie man denn den „Kunden“ geistig einschätzt. Fehlt eigentlich nur noch der Ratschlag, wie oft man in der Woche duschen sollte, und das man noch mehr Geld spart, wenn man sich die Ohren, und na klar auch den Rest, mit einem Waschlappen am Waschbecken wäscht. Na klar bitte auch in lustiger Comic-Art gezeichnet.
Und wenn ein Mitglied des Vorstandes de Bundesagentur für Arbeit diese Broschüre bei Twitter auch noch verteidigt, zeigt es eigentlich ziemlich, wie er die „Kunden“ selbst einschätzt.
Es wäre wirklich interessant, wie denn, wenn man den Mitarbeitern des Jobcenters, bis hinauf zu den Vorstandsmitgliedern der BAA, in gleicher Form, im gleichen Stil, mit lustigen Comic-Figuren, aufzeigt, wie man sich in der Öffentlichkeit ernsthaft und glaubwürdig darstellt, diese Leute reagieren würden.
Ich bin mir sicher, die Damen und Herren wären darüber beleidigt. Was si sicher auch sind, wenn sie dieses hier lesen.